Glas, im allgemeinen Sinn Schmelzprodukte aus
Quarzsand (Siliciumdioxid) mit anderen oxidischen Beimengungen.
Im wissenschaftlichen Sinn versteht man unter Gläsern Feststoffe, die
sich im amorphen (ohne einheitliche Struktur), nichtkristallinen Zustand
befinden. Im Prinzip handelt es sich bei Glas um eine eingefrorene,
unterkühlte Flüssigkeit oder Schmelze. Ist beispielsweise
die Abkühlgeschwindigkeit bei einer Schmelze genügend groß
, so lässt sich praktisch jede geschmolzene Substanz in den "
Glaszustand" überführen. Daher zählen nicht nur
Quarzsandprodukte zu den Gläsern. Auch Substanzen wie z. B.
Acrylglas (u. a. Plexiglas) und Zellglas (aus Cellulose)
gehören zu dieser Substanzgruppe. Glas findet sich auch in der
Natur, in dem aus vulkanischer Tätigkeit stammenden Obsidian, und den geheimnisvollen Glasbrocken kosmischer Herkunft, die als Tektite
bekannt sind. Durch Erhitzen kann Glas wieder verflüssigt werden. Glas ist
in der Regel transparent, kann aber auch nur halb durchsichtig oder opak
(undurchsichtig) sein. Durch besondere Stoffzusätze entsteht gefärbtes
Glas.
Geschmolzenes Glas ist plastisch und durch die verschiedensten Techniken
formbar. Erkaltetes Glas lässt sich schneiden. Bei niedrigen
Temperaturen ist Glas spröde; wenn es zerspringt, erscheint auf der
Oberfläche ein muschelartiges Bruchgefüge.
Glas wurde bereits vor 2000 v. Chr. erzeugt; die älteste
bekannte Rezeptur stammt von 700 v. Chr., aber es gibt viele
Anzeichen dafür, dass Glas und insbesondere Glasuren bereits viel
früher hergestellt wurden.
Materialien und Techniken
Der Hauptbestandteil des herkömmlichen Glases ist Siliciumdioxid
(Quarzsand). Je nach Anwendungsgebiet besteht Glas aus Gemischen von
basischen Oxiden (wie z. B. Natrium-, Kalium-, Magnesium-,
Calcium-, Barium- oder Zinkoxid) und sauren Oxiden (z. B.
Siliciumdioxid, Bortrioxid, Aluminiumtrioxid oder Diphosphorpentoxid).
Alkali-Kalk-Gläser
Natron-Kalk-Glas setzt sich aus Natriumoxid, Calciumoxid und Siliciumdioxid,
Kali-Kalk-Glas aus Kaliumoxid, Calciumoxid und Siliciumdioxid zusammen.
Das natriumhaltige Glas stellt im Prinzip das normale Gebrauchsglas dar.
Hierzu zählen z. B. Fensterglas, Flaschen- und
Spiegelglas. Kaliumhaltige Gläser sind im Gegensatz zu den
Natron-Kalk-Gläsern schwerer schmelzbar. Kali-Kalk-Gläser
verwendet man für besondere Zwecke wie z. B. Kronglas
(optische Gläser). Darüber hinaus gibt es Gläser, die
sowohl natrium- als auch kaliumhaltig sind. Zur technischen Herstellung
dieser Gläser verwendet man Quarzsand, Natriumcarbonat (Soda)
und/oder Kaliumcarbonat (Pottasche). Als Kalkkomponente (Calciumcarbonat)
werden Kreide oder Marmor bzw. bei weniger feinen Gläsern Kalkspat
oder Kalkstein eingesetzt. Beim Erhitzen bilden die Carbonate letztendlich
das entsprechende Oxid und geben dabei Kohlendioxid ab.
Zu einem geringen Anteil enthalten diese Gläser außerdem Aluminiumtrioxid
und Magnesiumoxid.
Bleikristallglas
Feines Bleikristallglas wird aus Quarzsand, Kaliumcarbonat und Bleioxid
(anstatt Kalk) hergestellt. Bleikristall ist schwer und weist eine starke
Lichtbrechungsfähigkeit auf. Deshalb wird es beispielsweise für
geschliffene Gebrauchs- und Luxusgegenstände eingesetzt.
Bor-Tonerde-Gläser
Bor-Tonerde-Glas enthält neben Siliciumdioxid und Alkalien als
wichtigen Bestandteil noch Bor- und Aluminiumoxid. Da es sehr haltbar und
gegen chemische Substanzen und Hitze äußerst widerstandsfähig
ist, wird es u. a. für Kochgeschirr und Laborgeräte
(z. B. Jenaer Glas) verwendet.
Farbe
Verunreinigungen in den Rohstoffen trüben das Glas. Um eine klare,
farblose Masse zu erzielen, fügen die Glashersteller Mangandioxid bei;
die durch Eisen im Sand hervorgerufene Grün- und Braunfärbung
wird damit entfernt. Allgemein lässt sich Glas färben, indem man
bestimmte Metalloxide in das Gemenge mischt. Außerdem lassen sich
andere Farbstoffe in mikroskopisch feiner Form in der Glasmasse verteilen.
Eine Trübung des Glases erreicht man mit Hilfe von Calciumphosphat,
Zinndioxid und Kryolith. Aber auch die Nachbehandlung durch Schleifen
oder Sandstrahlen bzw. durch Ätzen (mit Flusssäure) ist
üblich.
Weitere Bestandteile
Schmelzmassen enthalten in der Regel einen bestimmten Anteil gemahlener
Glasscherben, die aus Altglas gewonnen werden. Diese Beimischung
fördert den Schmelzvorgang und die Homogenität des Glassatzes.
Physikalische Eigenschaften
Je nach Zusammensetzung kann Glas bereits bei einer Temperatur von
500 °C, aber auch erst bei 1 650 °C schmelzen.
Die Zugfestigkeit, die normalerweise zwischen 280 und 560 Kilogramm
pro Quadratzentimeter beträgt, kann bei speziell behandeltem Glas
7 000 Kilogramm pro Quadratzentimeter überschreiten.
Die relative Dichte geht von 2 bis 8 bzw. von einem Wert, der unter
dem von Aluminium liegt, bis zu der Dichte von üblichem Stahl.
Ähnlich weit auseinander liegende Werte gelten für die
optischen und elektrischen Eigenschaften.
Mischen und Schmelzen
Nachdem die Rohstoffe sorgfältig vorbereitet sind, werden sie vermischt
und in entsprechende Öfen eingetragen. So genannte Hafenöfen
bestehen z. B. aus 16 großen Schmelzgefäßen aus
Ton ("Glashäfen"), die etwa 400 bis 800 Kilogramm
Rohmaterial fassen können. Noch größere Gefäße
sind die so genannten Wannenöfen mit einem Fassungsvolumen bis zu 300
Tonnen und mehr. In diesen Schmelzbehältnissen werden die
Mischungen zunächst bei Temperaturen bis zu 1 000 °C
geschmolzen und anschließend bei Temperaturen bis 1 450 bzw.
1 550 °C geläutert (Beseitigung von Glaseinschlüssen
oder Fehlern). Die Öfen werden mit Erdgas, Heizöl und/oder Strom
beheizt. Das Rohmaterial wird laufend (kontinuierlich) durch eine
Öffnung in den Ofen befördert. Im Gegenzug wird das geschmolzene
und verfeinerte Glas am anderen Ende abgezogen. In langen Kühlöfen
oder Kühlkammern kühlt die geschmolzene Masse auf die richtige
Bearbeitungstemperatur ab und wird anschließend zu den
Verarbeitungsmaschinen weitergeleitet.
Formgebung
Es gibt fünf grundlegende Verarbeitungsmethoden für Glas in
plastischem Zustand: Gießen, Blasen, Ziehen, Pressen und Walzen.
Damit lässt sich eine unendliche Formenvielfalt erzielen. Die
Formgebungstemperaturen liegen zwischen 900 und 1 200
°C.
Gießen
Bei dieser bereits im Altertum bekannten Technik wird das geschmolzene
Glas in eine Form gegossen. In einem besonderen Verfahren wird die
Glasschmelze auf Walzen gegossen und zu einem langen Band gewalzt, das man
anschließend langsam abkühlen lässt. Bei so genanntem
Drahtglas wird ein Drahtgeflecht vor dem Abkühlen in die
Schmelze eingelegt. Walzen mit einer besonderen Prägung auf der
Oberfläche dienen zur Erzeugung von Ornamentgläsern. Auf diese
Art wurden z. B. auch Kirchenfenster hergestellt. Beim so genannten
Schleuderverfahren gießt man die noch geschmolzene Mischung in eine
sich schnell drehende Form und erhält so die gewünschte Gestalt.
Dieses Verfahren dient zur Produktion von Hohlglasartikeln wie z.
B. Fernsehbildröhren.
Glasblasen
Die revolutionäre Entdeckung, dass Glas aufgeblasen und in jede
beliebige Form gebracht werden kann, wurde von den Phöniziern im
2. Jahrhundert v. Chr. gemacht. Die Glasbläserei
verbreitete sich bald und blieb bis in das 19. Jahrhundert die
wichtigste Technik zur Erzeugung von Glasgefäßen.
Glasmacherpfeifen sind etwa 1,20 Meter lang und mit einem
Mundstück versehen. Der Glasbläser nimmt mit dem Ende seiner
Pfeife eine kleine Menge geschmolzenes Glas, den so genannten
Glasposten, auf und wälzt ihn auf einer Holz- oder
Metallplatte hin und her (Marbeln), um ihm die äußere
Form zu geben und die Glasmasse etwas abkühlen zu lassen.
Anschließend bläst er in die Pfeife und erweitert dadurch
den Glasposten zu einer Blase, dem so genannten Külbel.
Von da an kann er durch wiederholtes Erhitzen am Ofen, Blasen und Marbeln
das Stück so lange bearbeiten, bis es die gewünschte Form und
Stärke hat. Heutzutage nutzt man außerdem so genannte
pneumatische Pfeifen, die mit Pressluft betrieben werden.
Zur Herstellung von Hohlglasprodukten lässt sich das Glas auch in
eine entsprechende Form blasen: Dabei gibt es die Möglichkeit, dem
Posten mit einer Form ein Muster aufzudrücken, die Form dann zu
entfernen und das Glas zur gewünschten Größe aufzublasen.
Oder man bläst den Posten ganz in eine Form hinein, wodurch er deren
Größe, Gestalt und Dekor erhält. Danach lassen sich weitere
Posten anbringen, die zu Stielen, Henkeln und Füßen modelliert
oder in anderer Weise weiterbearbeitet werden. Indem man eine bereits
geformte Blase in flüssiges, anders gefärbtes Glas taucht, kann
man sie "überfangen". "Eingeschlossenes" Glas
erhält man, wenn ein Posten in eine oder mehrere Schichten
verschiedenfarbiges Glas eingeführt und damit verbunden wird.
Für abschließende Arbeiten und die Feuerpolitur am Ofen wird
das Külbel auf der Seite, die der Pfeife gegenüberliegt, mit
einem Metallstab, dem Hefteisen, verbunden und von der Pfeife
abgenommen. Nach dem Abschlagen des Hefteisens bleibt eine Heftnarbe
zurück, die später weggeschliffen oder poliert wird.
Flüssiges Glas kann direkt am Ofen zu den verschiedensten Objekten
gezogen werden: zu Röhren, Platten, Fasern und Stäben, die
denselben Durchmesser haben müssen. Röhren werden hergestellt,
indem man eine zylindrische Masse halbflüssigen Glases zieht und
gleichzeitig durch das Zentrum des Zylinders einen Luftstrom schickt.
Walzen
Tafel- und vor allem Spiegelglas wurden ursprünglich erzeugt,
indem man die Glasschmelze auf eine glatte Oberfläche goss, das
Rohprodukt glatt strich und anschließend polierte.
Abkühlvorgang
Nach dem Formen werden die Glasgegenstände kontrolliert gekühlt,
um innere Spannungen auszugleichen, die durch das unterschiedlich schnelle
Erkalten der verschiedenen Schichten des Glases entstehen (siehe
Glühen). Dazu wird das Glas in einem Ofen noch einmal erhitzt –
diesmal auf eine Temperatur, die gerade so hoch ist, dass Spannungen
abgebaut werden – und dann langsam abgekühlt. Spannungen
können aber auch mit Absicht erzeugt werden, um das Glas
widerstandsfähiger zu machen. Da Glas bricht, wenn die
Zugbeanspruchung zu groß ist, komprimiert man die Oberfläche
und vergrößert dadurch die Zugbeanspruchung, die das Material
tolerieren kann. Mit dem so genannten Glastempern erreicht man die
gewünschte Spannung der Oberfläche, indem man das Glas so weit
erhitzt, bis es fast weich ist, und dann durch einen Luftstoß oder
Eintauchen in Flüssigkeit schockartig abkühlt. Die Oberfläche
wird sofort hart, und die nachfolgende Kontraktion der inneren Schichten, die langsamer abkühlen, zieht die Oberfläche zusammen. Mit dieser Methode lassen sich in dicken Glasplatten Dichten bis zu 2 460 Kilogramm pro Quadratzentimeter erzielen. Daneben sind chemische Methoden entwickelt worden: Die Zusammensetzung oder die Struktur der Glasoberfläche wird durch Ionenaustausch so verändert, dass die Dichte des Materials zunimmt. Damit lässt sich eine Zugfestigkeit von über 7 000 Kilogramm pro
Quadratzentimeter erreichen.